Yoga als Therapie
Yoga ist eine weltweite Massenbewegung. Jedoch beginnen wenige mit Yoga, um sich spirituell zu entwickeln. Im Vordergrund stehen Gesunderhaltung oder Heilung von Krankheiten. Doch welche Wirkungen von Yoga bei Gesunden und Kranken lassen sich in wissenschaftlichen Untersuchungen objektivieren.
Yoga ist eine Methode zur spirituellen Entwicklung. Durch yama und niyama werden die Grundlagen des sattvischen Lebensstils gelegt, durch Yogasanas, pranayama sowie Kontemplations-, Konzentrations- und Meditationsübungen sollen Körper und Geist weiter entwickelt werden, um ideale Instrumente für die Realisation von moksa (Befreiung) zu werden.
Ein gesunder Körper und gesunder Geist sind dazu notwendig, aber nicht das eigentliche Ziel.
Immer mehr Menschen finden den Zugang zu Yoga heute aber nicht primär der spirituellen Entwicklung wegen, sondern zum Zwecke der Gesunderhaltung oder Heilung von Erkrankungen. Gleichzeitig entwickelt sich Yoga zu einer weltweiten Massenbewegung. Um dieser Entwicklung zu begegnen, soll der Gedanke von Yoga auch als Therapie untersucht werden: Welche Wirkungen von Yoga bei Gesunden und Kranken lassen sich in wissenschaftlichen Untersuchungen objektivieren? Ist Yoga vor dem Hintergrund als Therapie sinnvoll? Gibt es Indikationen für Yoga als Therapie, also Erkrankungen, die man mit Yoga positiv beeinflussen kann? Und: Existieren Kontraindikationen, d.h. Krankheiten, bei denen Yoga nicht gut tut? Wenn Yoga als Therapie eingesetzt wird, was für Voraussetzungen sollten erfüllt sein?
Spätestens seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wird der Yoga wissenschaftlich untersucht, und zwar mit steigenden Studienzahlen. Die Studien sind sehr unterschiedlich in Qualität des Studiendesigns und Exaktheit der Beschreibung, was genau geübt wurde – und kommen daher auf z.T. widersprüchliche Ergebnisse.
Dennoch lassen sich einige Wirkungen des Yoga zunehmend sicher feststellen.
Wirkungen von Yoga bei Gesunden
Die Wirkungsweise von Yoga ist unspezifisch. Yoga wirkt auf Körper, Geist und Psyche ausgleichend, harmonisierend und kräftigend. Die Konzentration wird gefördert, die Wahrnehmung geschärft. Yoga wirkt Stress abbauend und tiefenentspannend.
Diese schon von den Yogis beschriebenen Wirkungen können biochemisch und elektrophysiologisch auf vielen Spezialgebieten präzisiert werden. So kann man z.B. nachweisen, dass sich der nach regelmässiger Yoga-Praxis in Ruhe die Herzfrequenz verlangsamt, der Blutdruck normalisiert, der metabolische Grundumsatz verringert, der galvanische Hautwiderstand sich auf einen Mittelwert einpegelt, die Atmung sich vertieft und verlangsamt, Stresshormone abgebaut, Muskeln gezielter und effizienter eingesetzt werden und sich die Hirnströme verändern.
Damit fördert Yoga die allgemeine Gesundheit. Jeder gesunde Mensch kann also Yoga mit Gewinn für seine Gesunderhaltung üben. Sonderfälle in der Gesundheitsförderung durch Yoga sind etwa der Kinder-Yoga und die Schwangerschaftsbegleitung mit Yoga.
Die kindliche Entwicklung wird durch Yoga gefördert und zwar sowohl motorisch – die Kinder werden spielerisch motorisch geschickter und haben eine bessere Körperkontrolle und -wahrnehmung – als auch geistig und sozial. Kinder lernen frühzeitig sich zu konzentrieren, sich zu erleben und sich mit friedlichen Mitteln in der Gesellschaft zu behaupten. In der Schwangerschaft wird durch Yoga zunächst die Muskulatur gekräftigt und damit vielen Schmerzen in der Schwangerschaft vorgebeugt. Yoga steigert die willkürliche Kontrolle über Muskeln und ermöglicht der Schwangeren damit, gezielt bestimmt Muskelgruppen anzuspannen und zu entspannen.
Wichtig ist auch die emotionale Festigung der Schwangeren in dieser Zeit der hormonellen und auch sozialen Umstellung. Die Atemtechniken helfen vor allem auch unter der Geburt, indem Schmerzen veratmet werden können, die Presswirkung der Wehen je nach Phase abgeschwächt oder verstärkt werden kann. Somit wirkt Yoga geburtserleichternd. Auch in der Zeit nach der Geburt unterstützt Yoga die Mutter. Die Rückbildung wird unterstützt, der Beckenboden gekräftigt, Stress abgebaut und einer Wochenbettdepression vorgebeugt. Die Wirkungen von Yoga in der Gesunderhaltung sind inzwischen weithin akzeptiert, was sich u.a. in der Kostenübernahme von Yoga- Kursen durch die Gesetzlichen Krankenkassen widerspiegelt.
Wirkungen von Yoga bei Erkrankungen
Da Yoga, wie oben dargestellt unspezifisch wirkt, wird er in einem breiten Spektrum von Krankheiten therapeutisch eingesetzt. Wir werden uns im Folgenden einige Krankheitsbilder beispielshaft vornehmen, diese definieren, die ursächlichen Faktoren der Krankheitsentstehung auf der einen Seite und Yoga-Wirkungen bei der Krankheit auf der anderen Seite untersuchen.
Koronare Herzkrankheit
Unter der koronaren Herzkrankheit versteht man eine Mangeldurchblutung des Herzens durch eine Verengung der Herzkranzgefässe.
Sie stellt die häufigste Todesursache in den westlichen Industrienationen dar. Als ursächliche Faktoren für die Entstehung der Erkrankung werden arterieller Hochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel, Fettstoffwechselstörungen, Zigaretten rauchen, Diabetes mellitus, Typ-A-Verhalten und Stress angeführt.
Yoga wirkt über eine positive Beeinflussung fast aller dieser Faktoren: Yoga kann einen erhöhten Blutdruck senken, insbesondere, wenn die Störung noch nicht zu lange besteht. Durch Yoga werden die Blutfettwerte normalisiert sowie die Blutzuckerspitzenwerte gesenkt. Die krankhaft erhöhte Gerinnbarkeit, die bei einer grenzwertigen Verengung über die Bildung von Blutgerinnseln zu einer lebensgefährlichen
Verstopfung der Gefässe führen kann, wird durch Yoga normalisiert. Die nach dem Verschluss kleiner Gefässe des Herzens notwendige Revaskularisation, also Bildung neuer Blutgefässe wird gefördert. Übergewicht wird abgebaut. Yoga an sich stellt eine Bewegungstherapie dar und wirkt damit dem Bewegungsmangel entgegen. Wie schon zuvor besprochen, wirkt Yoga über Stressabbau und die fördert gesunde Verhaltensweisen. Die Wirkung von Yoga tritt nicht sofort ein, sondern macht sich etwa nach 14 Tagen bei regelmässigem Üben bemerkbar. Sie hält an solange geübt wird. Nach Abbruch der Übungen lässt sie langsam wieder nach.
Diabetes mellitus – Zuckerkrankheit
Diabetes mellitus ist ein Sammelbegriff für Stoffwechselstörungen, die zu einer Hyperglykämie, einer Überzuckerung des Blutes, führen. Dabei gibt es zwei Hauptmechanismen. Beim Typ I sterben die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse ab. Damit entsteht ein absoluter Insulinmangel. Der Blutzucker, den der Körper nur über das Hormon Insulin senken kann, kann nicht negativ beeinflusst werden. Beim Typ II handelt es sich um eine gestörte Insulinsekretion, meist verbunden mit einer Resistenz gegen Insulin, so dass Insulin zwar vorhanden ist, aber nicht ausreichend wirkt. In Deutschland leiden vier Prozent der Bevölkerung an einem Diabetes mellitus, davon zu 90 Prozent am Typ II. An der Entstehung des Typ II-Diabetes sind Übergewicht, Fehlernährung, Bewegungsarmut und Stress ursächlich beteiligt. Stress führt zur Ausschüttung antiinsulinär wirkender, also blutzuckersteigernder Hormone (Kortisone, Catecholamine) und hebt damit indirekt den Zuckerspiegel.
Yoga senkt nachgewiesenermassen die Blutzuckerwerte, und zwar den Nüchternblutzucker ebenso wie die Maximalwerte. Dies geschieht nicht über eine Veränderung der Insulinsekretion, sondern über eine Steigerung der peripheren Insulinkonzentration.
Blutfettwerte und Blutzucker hängen indirekt voneinander ab. Somit führt die Senkung der Blutfettwerte durch Yoga automatisch auch zu einer Senkung des Blutzuckerspiegels. Über Stressabbau werden die antiinsulinären Hormone gesenkt, was wieder die Insulinwirkung fördert. Letztlich wird das Übergewicht über Förderung der Bewegung und Entwicklung besserer Ernährungsstrategien abgebaut.
Asthma bronchiale
Unter Asthma bronchiale versteht man eine anfallsweise auftretende Atemnot durch Verengung der Atemwege als Überreaktion auf Reize. Je nach Typ wird es durch Allergene, Infektionen, Kälte- oder Staubeinwirkung oder Überanstrengung ausgelöst. Dieser Reiz führt zu einer Verkrampfung der Atemwegsmuskulatur und einer massiven Schleimbildung.
Die zentralen Atemwege werden dabei so verengt, dass die Ausatmung nur sehr langsam möglich ist und eine subjektive Luftnot entsteht. Das führt zu einer hektischen Einatmung bevor überhaupt die Ausatmung vollständig ist, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Lungen noch gut mit Luft gefüllt sind. Daher kann nur wenig neue Luft eingeatmet werden, die Ausatmung wird durch die resultierende Überblähung der Lunge und des Brustraumes weiter erschwert und der Sauerstoffgehalt der Luft in den Lungen wird geringer. Der Patient reagiert mit hektischem Nach-Luft-Ringen. Dies führt zu weiterer Muskelverkrampfung und endet in der objektiven Ateminsuffizienz.
Yoga kräftigt die Atemmuskulatur und verbessert die Lungenfunktionsparameter (das Atemminutenvolumen, die alveoläre Ventilation, also die Durchlüftung der kleinen Lungenbläschen, die Brustkorbexpansion, Vitalkapazität, den Atemanhalte- und -grenzwert, die Einsekundenkapazität etc.). Der Patient / die Patientin lernt im Yoga, den Atem bewusst zu kontrollieren. Damit kann die Atmung deutlich verlangsamt und der Atemwiderstand vermindert werden. Die PatientInnen behalten damit die Kontrolle bei einem leichten Asthmaanfall und geraten durch die verlangsamte Ausatmung nicht in Panik. Der Teufelskreislauf von Panik und zu schneller Einatmung und Überblähung ist damit unterbrochen. Daneben scheint Yoga auch die übersteigerte Reagibilität der Atemwege, die für die Verengung verantwortlich ist, abzusenken. Yoga kann damit die Anzahl und Dauer der Asthma-Anfälle sowie den Medikamentenverbrauch signifikant vermindern, die Lungenfunktion bedeutend verbessern und den Beschwerdedruck lindern.
Chronisch-degenerative Rückenschmerzen
Ursache dieses Leidens ist oft die Insuffizienz der Rumpfmuskulatur, die durch Übergewicht und fehlerhafte, lang- andauernde
Haltungen überlastet ist und wegen Bewegungsmangel nicht ausreichend gekräftigt ist. Gerade unser gesellschaftsbedingt langes Sitzen ist für den Rücken schwer zu ertragen. Vielfach sind chronische Rückenschmerzen auch psychosomatisch bedingt.
Yoga kräftigt die Muskulatur. Dies geschieht gerade durch den Wechsel von gezielter Muskelent- und -anspannung besonders effektiv. Eine verspannte Muskulatur lässt sich nicht kräftigen. Yoga fördert die periphere Durchblutung und damit die Ernährung der Gewebe. Über die verbesserte Selbstwahrnehmung wird eine bessere Haltung gefördert. Das Übergewicht wird abgebaut und der gesamte Mensch – auch psychisch – gekräftigt und entspannt.
Schmerzsyndrome
Schmerzsyndrome sind Beschwerdebilder, die mit chronischen Schmerzen einhergehen. Der Schmerz hat seinen Warncharakter verloren und ist nicht mehr sinnvoll. Es werden verschiedene Formen unterschieden, wie etwa Entzündungsschmerzen, spastische Schmerzen, Nervenschmerzen, Fehlregulationsschmerzen oder psychosomatische Schmerzen. Letztere beruhen auf unterschiedlichen, oft nur teilweise verstandenen Pathomechanismen und sind äussersttherapieresistent. Yoga kann in der Therapie unterstützend eingesetzt werden zur körperlichen und seelischen Entspannung sowie zur allgemeinen Kräftigung. Es konnte nachgewiesen werden, dass Yoga das vegetative Nervensystem ausgleicht. Bei Schmerzsyndromen liegt meist eine Dysbalance im Sinne eines überaktiven Sympathikus vor. Diese Überaktivität kann durch yogische Techniken besänftigt werden. Durch regelmässige körperliche Übungen nimmt die Geschicklichkeit wieder zu. Schmerzhervorrufende Bewegungen können besser kontrolliert werden. Damit wird auch der Angst, von fremder Hilfe oder Hilfsmitteln abzuhängen, entschärft. Ausserdem führen Entspannungstechniken, die auch mit Autosuggestionen kombiniert werden können, zu einer Änderung der Schmerzwahrnehmung. Der Schmerz wird nicht mehr als so bedrohlich empfunden und verliert damit – trotz eventuell unveränderter Intensität – viel von der Übermächtigkeit, die ihn vorher unerträglich machte. Man nennt diesen Prozess Reframing, das Erleben in einen neuen Rahmen setzen.
Angstneurose
Hierunter versteht man eine gesteigerte, diffuse, also nicht objektgerichtete Angst. Unter dieser Form der Neurose leiden – bei hoher Dunkelziffer – ca. zwei bis vier Prozent der Bevölkerung. Als ursächliche Faktoren werden eine früh erfahrene Lebensunsicherheit, die mangelnde Entwicklung des Urvertrauens, die Verstärkung von Ängsten durch konditionierende Lernerfahrung (lernpsychologischer Ansatz) und die Ablehnung unannehmbarer sexueller Impulse (tiefenpsychologischer Ansatz) diskutiert. Die Neurose ist oft mit depressiven Elementen gekoppelt.
Durch Yoga kann neben dem schon oft angeführten Spannungsabbau ein Sinken des allgemeinen Angstniveaus erreichen. Die depressive Stimmungslage wird statistisch signifikant gehoben, das subjektive Gefühl von Kontrolle über die Situation sowie das Selbstvertrauen steigen. Damit führt Yoga zu einer Abnahme der Anzahl und der Schwere der Panikattacken. Die Wirkung ist bei regelmässigem Üben nach ca. sechs bis acht Wochen nachweisbar und entfaltet sich dann am besten, wenn die Dauer der Erkrankung zwei Jahre nicht überschreitet.
Sucht
Unter Sucht wird die körperliche oder / und psychische Abhängigkeit von Stoffen oder Verhaltensweisen verstanden. Yoga kann bei der Suchttherapie zur Reduktion von vegetativen Begleiterscheinungen im Entzug bei körperlicher Abhängigkeit eingesetzt werden. Die Willenstärke und psychische Widerstandskraft, die notwendig sind, um von den Suchtmitteln fernzubleiben, wird gestärkt. Daneben wird durch Yoga eine verbesserte Körper- und Selbstwahrnehmung erreicht. Dies führt zu der Entwicklung eines Widerwillens gegen Stoffe und Verhaltensweisen, die einem nicht wirklich guttun und unterstützt damit den Weg zu dauernder Freiheit von den suchterzeugenden Dingen. Yoga hilft weiterhin den oft hoffnungslosen Patientinnen und Patienten, neue Wege für sich zu entdecken.
Studien zeigen, dass durch Yoga eine geringere Komplikationsrate im Entzug erzielt wird, die Abstinenzzeiten im Vergleich zu anderen Therapieansätzen im Durchschnitt länger sind. Auch lässt sich in einem hohen Prozentsatz eine vollständige Abwendung von den Suchtmitteln nachweisen.
Onkologische Erkrankungen
Bösartige Tumore können durch Yoga nicht regelhaft geheilt werden. Dennoch ist Yoga auch bei bösartigen Erkrankungen therapeutisch einsetzbar im Sinne eines lindernden Ansatzes. Yoga mindert die Angst, die durch die Krankheit und deren Prognose ausgelöst wird, ebenso die Depressivität. Der Lebensmut wird gesteigert, die Sinnsuche erleichtert. Wie zuvor beschrieben, ist Yoga bei der Schmerzbehandlung sinnvoll. Die allgemeinen Körperfunktionen werden gefördert, ein verfrühter Abbau und Verfall auf körperlicher und seelischgeistiger Ebene wird verhindert. Die Abwehrkraft steigt. Über neuropsychoimmunologische Wege ist auch nach vollziehbar, warum Daten darauf hindeuten, dass die Überlebenszeit von Krebskranken, die Yoga praktizieren, verlängert sein können.
Kontraindikationen
Nun wurden viele Indikationen und Anwendungsbeispiele genannt, dass es fast scheint, als sei Yoga eine Art Allheilmittel. Aber dem Eindruck kann man so nicht Recht geben. Es gibt zwar keine absoluten Kontraindikationen für Yoga, das heisst, keine Situation, in der alle Yoga-Techniken auf keinen Fall angewandt werden dürfen.
Relative Kontraindikationen, also Erkrankungen, in denen Yoga nur mit Einschränkungen ausgeübt werden darf, gibt es hingegen! Darunter fallen vor allem alle akuten Erkrankungen. Hier können manche Atemübungen und Relaxationstechniken weiter geübt werden, aber längst nicht alle. Körperliche Übungen sollten zunächst ruhen.
Erkrankungen, die mit Fieber und Erschöpfung einhergehen, verbieten ebenso körperliche Übungen und anstrengende Yoga-Techniken. Das gleiche gilt für schwere Erkrankungen der vitalen Organe. Jedem wird einleuchten, dass ein Patient / eine Patientin nach einem Herzinfarkt zunächst ruhen sollte und nicht gleich das Herz aufs Neue überlasten. Sehr wichtig ist auch zu bedenken, dass schwere psychiatrische Erkrankungen eine Kontraindikation für Yoga darstellen. Besonders solche Erkrankungen, die mit Ich-Störungen zu tun haben, wie zum Beispiel die Schizophrenie oder Borderline- Persönlichkeiten, sollten nur unter hochqualifizierter und erfahrener Begleitung mit meditativen Techniken experimentieren. Auch während einer schweren endogenen Depression sind diese Techniken nicht zu empfehlen. Körperliche Übungen können jedoch geübt werden und sich positiv auswirken. Krankheiten, die mit schwerer Zerstörung der Gewebe und Struktur einhergehen, sind mit yogischen Techniken nur sehr bedingt zu therapieren.
Es ist also wichtig, Yoga nicht einfach so als Allheilmittel jedem zu empfehlen – und schon gar nicht, es auf eigene Faust therapeutisch anwenden zu wollen. Für jede gute Therapie braucht man Ansprechpartner, am besten ein beschlagener Arzt oder Heilpraktiker und ein gut ausgebildeter Yoga-Therapeut, die mit dem Patienten / der Patientin individuell die Therapie besprechen, entwickeln und begleiten. Sonst kann selbst eine so sanfte Therapieform wie Yoga zur Verschlechterung der Situation beitragen.
Voraussetzungen für den Einsatz von Yoga als Therapie
Die erste Voraussetzung für den Einsatz von Yoga als Therapie ist die Mitarbeit der Patientin / des Patienten. Diese müssen ihre Übungen regelmässig durchführen, sonst ist die Wirkung der Therapie minimal. Die Effizienz der Therapie wird durch die sattvische Lebensweise und Ernährung verstärkt. Auch scheint die Auseinandersetzung mit philosophischen Fragestellungen des Yoga die Wirkung der Yoga-Therapie zu fördern. Um den PatientInnen die Mitarbeit zu ermöglichen ist eine gute Aufklärung wichtig, insbesondere über die Notwendigkeit des täglichen Übens und der Ruhe beim Üben. YogaÜbungen ohne Ruhe und Konzentration degradieren zu kopfloser Gymnastik und sind weit weniger wirkungsvoll. Den PatientInnen sollte ein einfaches Übungsprogramm möglichst individuell angeboten werden, das er unter der Führung eines Yoga-Therapeuten einübt. Regelmässige Kontrollen sollten durchgeführt werden, zum einen zur Motivationsbestärkung und zum anderen, um Fehler der Ausführung, die die Wirkung schwächen könnten, rechtzeitig herauszufinden. Die Indikationsstellung und Therapieüberprüfung sollte durch einen in Yoga-Therapie beschlagenen Arzt / Ärztin erfolgen, die unter Umständen die Therapie durch weitere Massnahmen unterstützten. Eine enge Zusammenarbeit des kompetenten Yoga-Arztes / Yoga-Ärztin und Yoga-TherapeutInnen ist für die ideale Therapie unerlässlich.
Um die therapeutischen Effekte von Yoga optimal und sicher zu erreichen, ist m.E. eine tiefgründige Ausbildung notwendig, in der der Therapeut / die Therapeutin zum einen eine fundierte Yoga-Lehrausbildung und Lehrerfahrung braucht, zum anderen eine sichere medizinische Ausbildung. Jede Therapie, egal welchen Ursprunges, in der Hand eines oberflächlich Ausgebildeten ist eine Gefahr für die PatientInnen!
Yoga ist eine Methode, die zum Erreichen spiritueller Ziele entwickelt wurde. Die Wirkungen auf die Gesundheit sind nur Nebeneffekte. Viele Yoga-Wirkungen in diesem Bereich sind wissenschaftlich untersucht, besser als manches schulmedizinisch anerkannte Verfahren. In meiner praktischen Erfahrung zeigt sich immer wieder, dass diese Verbindung für die PatientInnen äusserst effektiv ist. Manch einer »entdeckt« auf diesem Weg den Yoga in seiner ursprünglichen Bedeutung für sich.
Dr. med. Hedwig H. Gupta
Literatur
Jain, MD, Hepp, H.H., Yoga als adjuvandte Therapie,
Hippokrates-Verlag, Stuttgart, 1998
Kylongra, Y, A Review of Yoga Programs for Four Leading Risk Factors of Chronic Diseases,
eCAM 4(4): 487-91, 2007
Lipton, L., Using Yoga to Treat Disease: an Evidence-Based Review,
Jaapa 21 (2): 34-41, 2008